Diesen Artikel habe ich gerade im "Kranken Boten", dem Magazin der Jesus Freaks, entdeckt. Weil er mich total geflasht hat und meine (unsere?) derzeitige Situation ziemlich gut umreißt, poste ich ihn mal hier.
Dekonstruktion: Am Morgen danach
Wenn der Glaube in die Pubertät kommt
Nein, dies ist kein Leserbrief an eine christlich-psychologische Beratungsstelle, um verzweifelt den Weg aus einer existenziellen Glaubenskrise zu finden. Dieser Artikel berichtet auch nicht darüber, wie am Tiefpunkt der Glaubenszweifel eine übernatürliche Lichtgestalt dem gefallenen Bruder aufhilft.
Dieser Beitrag beginnt mit einem Eingeständnis: Ich habe meinen bisherigen Glauben verloren. Und das ist auch gut so.
In den vergangenen Jahren und Monaten diskutierten landauf und landab Freikirchen, Jesus-Freaks-Gruppen und christlich-revolutionäre Zellen über die „Dekonstruktion“ des Glaubens. Eine Flut von Weblog-Autoren zerbrach sich ihren Kopf darüber, was mit diesem Begriff gemeint sein könnte.
Dekonstruktion scheint das Gegenteil von Konstruktion zu sein – also Rückbau, Abbruch, Demontage. In diesem Zusammenhang diskutierten Freidenker und so genannte „Emerging Churches“ darüber, ob Lobpreis jenseits der klassischen, bekannten Schemata möglich sei – beispielsweise in Form von interaktiven, künstlerischen Aktionen im Gottesdienst. Die eifrigen Dekonstruktivisten stellen viele unbequeme Fragen, ohne zu wissen, ob sie die Antwort wirklich wissen wollten.
Diese Dekonstruktion, diese Fragen haben auch meinen Glauben erreicht: Schmerzhafte Fragen, die wie eine Abrissbirne mein kunstvoll konstruiertes Glaubensgebäude erschütterten. Was glaube ich denn wirklich? Oder glaube ich denn wirklich? Kann Glaube wirklich sein? Und wie wirklich ist die Wirklichkeit? Gibt es wirkliche, objektive Elemente in meinem Glauben oder sind diese Elemente nur durch mich oder durch andere konstruiert worden?
Die Abrissbirne zeigte ihre Wirkung: Nach und nach zerbrachen Konstrukte wie „Lobpreis“, „Gottesdienst“, oder „Gemeinde“ und gaben den Blick auf ein erstaunlich kahles Fundament frei: Die Existenz Gottes in meinem Leben.
Die Frage, ob und warum die bisherigen Ausdrucksformen meinen Glauben definieren sollten, nagte wie ein Presslufthammer an mir. Wo ich einst verzückt und hingebungsvoll jede Anbetungszeit für mich nutzte, stand ich nun entfremdet neben verklärten Menschen.
Wo einst Elemente wie Gottesdienst, Hauskreis und Gemeindeversammlungen meinen Alltag prägten, fand ich nun sinnentleerte Treffen vor, die mich im günstigsten Fall langweilten – im schlimmsten Fall verließ ich diese Termine verstört und wütend.
Seltsamerweise ging es mir dabei von Tag zu Tag besser, je mehr ich meinen bisherigen Glauben verlor. Es ging mir gut, solange ich nicht auf Christen traf, die mir einen klassischen Abfall vom christlichen Glauben attestierten. Ich zog die Konsequenzen und umging den Kontakt mit (solchen) Christen weitestgehend.
Habe ich meinen Glauben verloren?
Ja – den Glauben an emotional besetzte, menschlich konstruierte Worthülsen wie Lobpreis, Gottesdienst, Hauskreis, Jesus Freaks. Und nein – ich bin überzeugt, dass die Existenz Gottes in irgendeinem Bezug zu meiner eigenen Existenz steht und dass ich meine Werte, meine Lebensphilosophie besser mit dem christlichen Glauben begründen kann als mit einer politischen oder subkulturellen Ideologie. Alles andere ist verhandelbar.
We‘ve lost the hands which kept us save. Ich habe viel verloren – die Geborgenheit eines naiven, zweidimensionalen Bildes über Gott und die Welt.
Und ich habe viel gewonnen – die Freiheit, meinen Glauben neu auszuhandeln, neu zu konstruieren – Ausgang: völlig offen. Oder als Gebet formuliert: „Lass mich meinen bisher Glauben verlieren, wenn er zwischen mir und dir steht.“
Erstaunlicherweise traf ich immer wieder auf Menschen, die mit einem ähnlichen Prozess in ihrem Leben und Glauben beschäftigt waren. Vielleicht ist dies ein Zeichen für eine Art Pubertätskrise sowohl in Bezug auf den eigenen Glauben als auch auf die Jesus-Freaks-Bewegung. Eine Krise, die dadurch geprägt ist, das bislang Vorgegebene komplett zu hinterfragen, über Bord zu werfen, zu rebellieren und auszusteigen.
Und diese kritische Phase beinhaltet auch, die bisherige Beziehung zu Gott in Frage zu stellen, vielleicht abzubrechen, um sie ganz neu aufzubauen.
Die Entwicklungspsychologie spricht davon, dass die Krise zwischen Eltern und Kind in der Pubertät existenziell wichtig ist, um später zwischen den Generationen eine Begegnung auf der selben Ebene, in der Welt der Erwachsenen zu ermöglichen. Wenn sich diese Erkenntnis auf das Wachstum im christlichen Glauben übertragen lässt, wäre viel gewonnen.
Vielleicht ist es notwendig, eine Pubertätskrise im Glauben zu durchleben, um erwachsen zu werden. Erwachsen werden im Glauben – dann wäre eine Begegnung zwischen mir und Gott auf der selben Ebene möglich: nicht als übermächtiger Vater, sondern als Freund, als Ratgeber, als Partner.
Wir sollten darüber nachdenken, ob wir als Jesus Freaks, als Freunde diesen Prozess bei den Menschen um uns begleiten können. Dabei geht es nicht darum, vorschnelle Antworten und vorgefertigte Floskeln anzubieten. Wir sollten bereit sein, gemeinsam zu suchen, zu fragen und abzureißen. Diese Begleitung entscheidet darüber, ob die Dekonstruktion des Glaubens zur existenziellen Sinnkrise oder zu einem ganz neuen, komplexen Bild von Gott und Glauben führt.
Was haben wir denn zu verlieren?
Autor: Markus Beißwanger
Link zum Artikel auf der Webseite der Freaks
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Mittwoch, 13. Februar 2008
Sonntag, 23. Dezember 2007
Was mich an den "40.000 Punkten" stört
Kennt ihr die "40.000 Punkte"? Ich glaube, das ist das bekannteste christliche Theaterstück überhaupt:
Ein Mann findet sich nach seinem Tod im Vorzimmer des Himmels wieder. Dort bekommt er gesagt, dass er in seinem Leben 40.000 Punkte erreicht haben muss, um in den Himmel eintreten zu können. Doch auch die Aufzählung aller seiner guten Taten ergibt nicht genügend Punkte. Plötzlich latscht ein ziemlich schmuddeliger Typ an ihm vorbei, zeigt einen Gutschein vor und darf sofort eintreten.
Die Message ist hier natürlich, dass die Entscheidung, an Jesus zu glauben, gleichbedeutend einem Gutschein ist, der den Weg in den Himmel freimacht. Und gute Werke können das eben nicht.
(Kann man zum Beispiel hier lesen.)
Je länger ich über dieses Anspiel nachdenke, desto mehr stört es mich - und noch mehr: Es beunruhigt mich zutiefst! Wann haben wir Christen eigentlich die irrige Annahme entwickelt, dass wir einfach die Hände in den Schoß legen und trotzdem vor Gott als gerecht bestehen können?
Klar - wir können uns den Himmel nicht "verdienen". Aber mir kräuseln sich die Zehennägel, wenn ich in unseren Gästegottesdiensten immer wieder höre, dass wir "gar nichts zu tun" bräuchten, um gute Christen zu sein, oder wenn wir Lieder singen wie "Immer mehr von dir - gib uns mehr von dir, oh Herr!"
Woher kommt diese Konsumhaltung? Wo ist der Geist unseres Gründers hin, der die Menschen zur radikalen Umkehr rief, und der Menschen, die ihm folgen wollten, abwies mit den Worten, sie sollen erst all ihren Besitz den Armen schenken? (Matthäus 19:21)
Ich denke, ein bisschen mehr "Werkgerechtigkeit" täte uns Christen gut. Müssten nicht wir Christen die ersten sein, die zur Stelle sind, wenn irgendwo Not am Mann ist? Wieso sind wir oft die Letzten - wenn wir überhaupt kommen? Wieso brauchen wir dafür erst amerikanische Megakirchen, die es als neuen Trend vermarkten, sich um Bedürftige zu kümmern?
Was fehlte unserer Stadt, wenn unsere Gemeinden auf einmal nicht mehr da wäre? Würde man uns vermissen? Würden es die Bürger überhaupt bemerken?
Müssten nicht wir Christen diejenigen sein, die in der ganzen Stadt dafür bekannt sind, Kranke zu besuchen, in Altenheime zu gehen und die Senioren zu betreuen, die niemand mehr besucht, Obdachlose aufzulesen, mit ALG II-Empfängern auf Arbeitssuche zu gehen, Schulspeisungen anzubieten, Geld für Alleinerziehende zu sammeln?
Wieso sind wir so habgierig? Wir wollen mehr von Gottes Liebe - wir wollen, dass der Heilige Geist uns noch mehr erfüllt - wir wollen noch mehr spüren, dass Gott uns nahe ist. An alldem ist ja nichts Falsches, aber wieso geht es dabei immer um UNS? Wieso stellen wir uns selbst dabei so ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit und pflegen unsere eigenen Empfindlichkeiten? Wo - auch hier - ist der Geist unseres Gründers hin, der gesagt hat: "Geben ist seliger denn Empfangen?" (Apostelgeschichte 20:35)
Diese Fragen bewegen mich gerade. Und das schon ziemlich lange, denn diesen Text hier habe ich schon vor etwa einem Jahr geschrieben.
Ich bin selber auch ein fauler Sack, aber ich will es mir einfach nicht mehr so bequem machen wie bisher! Schon Vorsätze fürs neue Jahr gefasst...?
Ein Mann findet sich nach seinem Tod im Vorzimmer des Himmels wieder. Dort bekommt er gesagt, dass er in seinem Leben 40.000 Punkte erreicht haben muss, um in den Himmel eintreten zu können. Doch auch die Aufzählung aller seiner guten Taten ergibt nicht genügend Punkte. Plötzlich latscht ein ziemlich schmuddeliger Typ an ihm vorbei, zeigt einen Gutschein vor und darf sofort eintreten.
Die Message ist hier natürlich, dass die Entscheidung, an Jesus zu glauben, gleichbedeutend einem Gutschein ist, der den Weg in den Himmel freimacht. Und gute Werke können das eben nicht.
(Kann man zum Beispiel hier lesen.)
Je länger ich über dieses Anspiel nachdenke, desto mehr stört es mich - und noch mehr: Es beunruhigt mich zutiefst! Wann haben wir Christen eigentlich die irrige Annahme entwickelt, dass wir einfach die Hände in den Schoß legen und trotzdem vor Gott als gerecht bestehen können?
Klar - wir können uns den Himmel nicht "verdienen". Aber mir kräuseln sich die Zehennägel, wenn ich in unseren Gästegottesdiensten immer wieder höre, dass wir "gar nichts zu tun" bräuchten, um gute Christen zu sein, oder wenn wir Lieder singen wie "Immer mehr von dir - gib uns mehr von dir, oh Herr!"
Woher kommt diese Konsumhaltung? Wo ist der Geist unseres Gründers hin, der die Menschen zur radikalen Umkehr rief, und der Menschen, die ihm folgen wollten, abwies mit den Worten, sie sollen erst all ihren Besitz den Armen schenken? (Matthäus 19:21)
Ich denke, ein bisschen mehr "Werkgerechtigkeit" täte uns Christen gut. Müssten nicht wir Christen die ersten sein, die zur Stelle sind, wenn irgendwo Not am Mann ist? Wieso sind wir oft die Letzten - wenn wir überhaupt kommen? Wieso brauchen wir dafür erst amerikanische Megakirchen, die es als neuen Trend vermarkten, sich um Bedürftige zu kümmern?
Was fehlte unserer Stadt, wenn unsere Gemeinden auf einmal nicht mehr da wäre? Würde man uns vermissen? Würden es die Bürger überhaupt bemerken?
Müssten nicht wir Christen diejenigen sein, die in der ganzen Stadt dafür bekannt sind, Kranke zu besuchen, in Altenheime zu gehen und die Senioren zu betreuen, die niemand mehr besucht, Obdachlose aufzulesen, mit ALG II-Empfängern auf Arbeitssuche zu gehen, Schulspeisungen anzubieten, Geld für Alleinerziehende zu sammeln?
Wieso sind wir so habgierig? Wir wollen mehr von Gottes Liebe - wir wollen, dass der Heilige Geist uns noch mehr erfüllt - wir wollen noch mehr spüren, dass Gott uns nahe ist. An alldem ist ja nichts Falsches, aber wieso geht es dabei immer um UNS? Wieso stellen wir uns selbst dabei so ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit und pflegen unsere eigenen Empfindlichkeiten? Wo - auch hier - ist der Geist unseres Gründers hin, der gesagt hat: "Geben ist seliger denn Empfangen?" (Apostelgeschichte 20:35)
Diese Fragen bewegen mich gerade. Und das schon ziemlich lange, denn diesen Text hier habe ich schon vor etwa einem Jahr geschrieben.
Ich bin selber auch ein fauler Sack, aber ich will es mir einfach nicht mehr so bequem machen wie bisher! Schon Vorsätze fürs neue Jahr gefasst...?
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